Obdachlosenunterkunft Kappeln

01.09.2022

Eine Zusammenfassung

Am 05.06.2019 hat die Stadtvertreterversammlung der Stadt Kappeln unter Bezug auf die Beschlussvorlage 2019/111 vom 06.05.2019 den Bau der Obdachlosenunterkunft auf dem Gelände Loitmarkfeld 1, 24376 Kappeln für 1.200.000 € beschlossen und Haushaltsmittel von jeweils 600.000 € in den Haushalten 2019 und 2020 dafür bereitgestellt. Die nicht abgeflossenen Mittel wurden in den Folgehaushalten 2021 und 2022 weiter zur Verfügung gestellt. Die Verwaltung der Stadt Kappeln hat dann für 291.768,34 € Aufträge für den Abriss des Altgebäudes, Anschlüsse, Baugrunduntersuchungen, Statiker und Architekten ausgelöst. Der Architekt hat in der Folge verschiedenen Gewerke ausgeschrieben, für deren Teil-Gewerke im März 2022 Submission, letztendlich am 02.05.22 der entsprechende Stichtag war. Nach der Submission im März 2022 hat die Verwaltung im Auftrag des Bürgermeisters weitere Aufträge zum Innenausbau der Obdachlosenunterkunft in Höhe von 793.924,86 € (ohne Beschluss der Stadtvertreterversammlung) erteilt.

Der verbleibende Finanzrahmen (1.200.000 € minus 293.768,34 € und minus 793.924,86 €) beträgt 112.306,80 €. Die Verwaltung hat zudem die Baukosten für die noch nicht vergebenen Gewerke mit 1.253.249,17 € geschätzt, also deutlich über dem noch verfügbaren Rahmen von 112.306,80 €. Die Vergabe der Aufträge in Höhe von 793.924,86 € hätte ohne Herbeiführung eines Beschlusses zur Budgeterweiterung nicht erfolgen dürfen, da absehbar war, dass die Mittel nicht reichen.

Im weiteren Verfahren wurden alternative Ansätze bis heute nicht ernsthaft durch die Verwaltung der Stadt Kappeln geprüft, § 8 GO somit verletzt. Die am 11.05.2022 durch die Stadtvertreterversammlung beschlossene „kleine Lösung“ ist mit 1.9 Mio € nur bedingt kostengünstiger, da hier eine 46%ige Baumassenreduktion vorliegt. Ein Vorschlag zur „modularen Bauweise“ wurde nicht weiter verfolgt. Das Komplettangebot eines Generalunternehmers (1.462.139,55€ gesamt) wurde durch Verwaltung und Bürgermeister abgelehnt, da die Auftragsvergabe an einen Generalunternehmer angeblich nicht statthaft sei. Diese Aussage ist gem. § 97 Abs. 4 Satz 3 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht zutreffend, ergo falsch!

Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich hier letztlich um die Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Kappeln handelt, die in signifikanter Höhe bereits vergeben worden sind und noch verplant werden sollen. Dass man kostengünstigere Varianten nicht berücksichtigen will, ist so nicht nachvollziehbar.

Die Kommunalaufsicht Schleswig-Flensburg prüft derzeit den Vorgang. Es bleibt zu hoffen, dass dieses im Sinne der betroffenen obdachlosen Menschen schnell abgeschlossen werden und rasch eine Umsetzung der baulichen Maßnahmen erfolgen kann.

Zur Vermeidung der bekanntgewordenen Zustände in der derzeitigen Obdachlosenunterkunft darf allerdings auch die Frage gestellt werden, wie diese Mitmenschen betreut werden und welches Konzept die Stadt Kappeln zur Verhinderung von Obdachlosigkeit verfolgt? In vielen Kommunen weicht das Konzept der reinen Bereitstellung von Schlichtwohnungen dem „Housing-First“-Ansatz aus Finnland: Normal-Wohnungen mit Mietverträgen ohne Wohnfähigkeitsnachweis (also begonnene Therapien, etc.). Unabhängig davon gilt es natürlich, mit den betroffenen Bewohnern gemäß Sozialgesetzgebung auch Hilfepläne zu entwickeln und durch Sozialarbeiter vor Ort und in den Unterkünften begleiten zu lassen. Wer ist eigentlich hier in Kappeln Ansprechpartner, Koordinator, Sozialarbeiter?

(Foto: Christiane Lang; Text: SF)